Eine haarige Angelegenheit

Meine erste Pubertät brachte viele Veränderungen mit sich, die ich nicht wollte. Ein zunehmendes Maß an Körperbehaarung störte mich daran eigentlich am Allerwenigsten.

Doch es war genau dieser Punkt, über den sich andere gleichaltrige Mädchen in der Schule lustig machten. Es wurde über meine Beinhaare gelacht, über meine Achselhaare. Weil ich sie früher hatte als die anderen und weil ich sie nicht sofort abrasierte. Weil ich nicht verstand, wieso ich sie entfernen sollte. Die anderen Jungen bekamen ja langsam auch welche. Nur dass man die Haare bei mir, als Mädchen, nicht sehen durfte.

Ich verstand nicht, wieso ich knappe Bikinihosen tragen musste, in denen man sofort jedes Schamhaar sah, das nicht komplett abrasiert wurde. Während die Jungen sich unter ihren langen Badehosen verstecken konnten und jedes Haar als Zeichen absoluter Männlichkeit gedeutet wurde.

Nur dass andere bei mir die Haare falsch fanden und mich immer wieder darauf hinwiesen, ich solle mich doch endlich rasieren. Die Mädchen lachten mich aus und ich traute mich nicht mehr, kurze Hosen zu tragen oder ins Freibad zu gehen.

Es kam der Tag, an dem ich die Körperstellen, an denen Frauen scheinbar keine Haare haben sollten, glatt rasierte, um vielleicht mehr eine Frau zu sein. Ich fühlte mich nackt und hasste das Gefühl, wie meine viel zu glatten Beine übereinander glitten, wenn ich die Beine überkreuzte.

Eine Weile später kam neben Beinhaaren und Schambehaarung auch noch ein leichter dunkelbrauner Flaum unterhalb meines Bauchnabels hinzu. Ich wollte ihn nicht abrasieren, erstens, weil er mir gefiel und zweitens, weil ich fand, dass Stoppeln doof aussahen. Als die anderen im Sommer anfingen, sich wieder über meine Körperbehaarung lustig zu machen, griff ich zu heller Haarfarbe und färbte meine Bauchbehaarung blond. Einfach, um den anderen keine Angriffsfläche zu bieten. Um die Anforderungen zu erfüllen, die aus welchen Gründen auch immer an Frauen gestellt wurden. Die sich für mich nicht richtig anfühlten, denen ich mich aber auch noch nicht zu widersetzen traute.

Es brannte wie Feuer, als ich die Farbe auf meinem Bauch einwirken ließ und mir stiegen die Tränen in die Augen, nicht nur vor Schmerz, sondern auch aus Wut auf meinen Körper, der einfach nur das Falsche zu machen zu schien. Die anderen sahen mich an und sahen in mir eine Frau, doch sobald ich irgendwo Haare hatte, war ich nicht mehr Frau genug, um in Ruhe gelassen zu werden. Ich war keine Frau, aber ich kannte zu der Zeit noch kein Wort für meine Gefühle, wusste noch nicht über Trans* Bescheid. Aber ich wusste, dass die anderen über meine „Andersartigkeit“ lachten, sobald sie die Gelegenheit dazu bekamen. Es kostete mich Jahre, bis ich mich traute, zu mir zu stehen und das Gelächter und die dummen Sprüche auszuhalten. Mit zwölf reichte mein Selbstbewusstsein dafür noch nicht aus.

Im Sommer musste ich mich alle zwei Tage rasieren, wenn ich keine sichtbaren Stoppeln haben wollte. Ich tat das, weil ich nicht mehr wollte, dass die anderen sich über mich lustig machen. Mit den glatten Beinen hörte das Gekicher auf, und auch die Fragen, ob ich aus meinen Beinhaaren „Zöpfe flechten“ könnte oder ob ich „unten rum“ auch einen „Urwald“ hätte.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die Mädchen diese Sprüche nicht selbst ausgedacht haben. Und dass man nicht auf die Welt kommt und Körperbehaarung gegenüber abgeneigt ist. Irgendwo müssen sie aufgeschnappt haben, dass Frauen keine Körperbehaarung haben dürfen. Ob in den Medien, im Bekanntenkreis, von der großen Schwester oder allem zusammen. So breitet sich das Gift in Form von bestimmten Frauenbildern bereits in den Köpfen junger Mädchen aus.

Mir fehlte das Selbstbewusstsein, mich hinzustellen und zu meiner Behaarung zu stehen, die mich absolut nicht störte und über die ich mich eigentlich freute. Ich verstand den Aufstand der anderen nicht. Bei mir Zuhause war Körperbehaarung nie negativ thematisiert worden.

Als ich 17 war und keine Lust mehr hatte, mich zu verstecken, ließ ich meine Beinhaare wachsen. Es dauerte nicht lange, bis sie eine stattliche Länge erreicht hatten und meine Beine sichtbar behaart waren. Ich fühlte mich wohl, doch die kritischen Blicke der anderen machten mir Sorgen, weswegen ich in diesem Jahr selbst im Sommer lange Hosen trug.

Bis ich dann Testosteron nahm, und plötzlich überall Haare zu sprießen begannen. Bis ich als Mann wahrgenommen wurde und es plötzlich das Normalste der Welt war, dass ich behaart war. Und ich mich dafür nicht mehr schämen musste, geschweige denn die Anforderung an mich gestellt wurde, dass ich mich mehrfach die Woche an Beinen oder im Intimbereich rasieren musste. Ich konnte meine Haare einfach sprießen lassen – und niemanden interessierte es. Weder wenn ich eine kurze Hose trug, noch wenn ich im Freibad schwimmen ging.

Warum wird bei Frauen ein so großer Aufstand um Körperbehaarung gemacht? Wenn sich eine Frau mit ihren Haaren wohl fühlt, warum kann man sie dann nicht einfach in Ruhe lassen? Warum muss man bereits jungen Mädchen beibringen, dass sie sich schon beim allerersten Schamhaar rasieren müssen, um eine Frau sein zu können? Und warum ist es bei Männern so verdammt egal, wenn sie behaarte Rücken und Bäuche haben?

Fast alle Menschen haben Haarwuchs an den Armen, Beinen und im Intimbereich. Nur dass es bei Frauen aus „Hygienegründen“ oder welchen fadenscheinigen Begründungen auch immer erwartet wird, dass sie ihre Körperbehaarung entfernen. Dass Partner es eklig finden, wenn ihre Freundinnen Haare unter den Achseln haben und sie diese dazu auffordern, sich doch bitte zu rasieren. Als hätten sie ein Recht darüber zu bestimmen, welche Körperkultur ihre Partnerin pflegt.

Warum sollte man von Frauen glatte, haarfreie Haut erwarten, wenn man es bei Männern nicht macht? Ich finde es bedenklich, dass die Menschen, die sich zu Anfang meiner weiblichen Pubertät über mich lustig machten, weil ich Beinhaare hatte, heute nicht mit der Wimper zucken, wenn ich mit einer kurzen Hose herumlaufe und meine Beinhaare sehr gut zu sehen sind. Weil sie mich als Mann wahrnehmen, ist es plötzlich okay, dass ich haarige Beine habe. Und eine behaarten Bauch, eine behaarte Brust.

Aber als Frau ist es das nicht, denn Frauen müssen glatte Haut haben und sollten am besten an keiner einzigen Körperstelle, außer dem Kopf, Haare tragen. Ich bin mir sicher, dass es Frauen gibt, die das Gefühl von glatter Haut mögen und sich deshalb rasieren. Sich jedoch wegen gesellschaftlicher Normen und Zwänge zu rasieren, ist kein guter Beweggrund.

Man sollte seinen Körper so pflegen und stolz tragen, wie es einem selbst gefällt. Am besten frei von diesen Vorgaben und Vorstellungen von außen. Und das ist am einfachsten, wenn man dafür sorgt, dass nicht schon 12-Jährige darauf gepolt werden, wie Frauenkörper im Vergleich zu Männerkörpern auszusehen haben. Und wenn nicht schon für Kinder in diesem Alter Regeln aufgestellt werden, wer sich wo zu rasieren habe und bei wem Körperbehaarung völlig in Ordnung sei.

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