Bereits Jahre vor meiner medizinischen Transition interessierte ich mich stark für alles, was es an Informationen über LGBTIQ*-Themen zu finden gab. Zu dieser Zeit war des Internet noch nicht überfüllt von Zeitungsberichten bis hin zu Blogs und YouTube-Videos, betrieben von anderen LGBTIQ*-Jugendlichen. 

Ich gab vor acht Jahren das Wort „Trans“ bei Google ein und vertiefte mich in stundenlanger Recherche in die Thematik. Immer wieder löschte ich dabei meinen Browser-Verlauf, aus Angst, meine Eltern könnten etwas mitbekommen.

Es war zu der Zeit noch wesentlich schwieriger, Informationen über das Thema zu beschaffen. Abgesehen von ein paar YouTube Kanälen und Blogs gab es gelegentlich den ein oder anderen Artikel, der von einer Zeitung veröffentlicht wurde. Generell gab es auf Englisch weitaus mehr Informationen als auf Deutsch. Die deutsche LGBTIQ*-Community war für mich zu der Zeit im Wesentlichen unsichtbar. 

Ich las alle Artikel, die ich finde konnte. Es gab sie nur vereinzelt. Sie trugen Überschriften wie „Vom Mädchen zum Mann“ oder „Transsexueller will Brust-Op auf Kassenkosten“. Außerdem gab es den ein oder anderen Bericht über einen trans* Mann, der schwanger war, was zu viel Aufregung führte. Es wurde hauptsächlich über Betroffene berichtet, anstatt sie selbst zu Wort kommen zu lassen. Ich sog alle Informationen durstig in mich auf. Doch bereits damals fiel mir auf, dass sich der Ton der Betroffenen in ihren Videos und Blogeinträgen sehr von dem Ton der Artikel unterschied. 

Heute, acht Jahre später, hat sich die Berichterstattung und -häufigkeit maßgeblich verändert. Es gibt viel, viel mehr Online-Ressourcen über zum Thema Trans*. Die Informationen sind einfach zu finden und es nicht mehr notwendig, sich wie ein Maulwurf durch die Tiefen des Internets zu graben. Manche Online-Zeitungsangebote haben sogar eigene „queere“ Ressorts eingerichtet. 

Doch wenn ich Interviews oder Artikel über LGBTIQ* Personen lese, ist mir das oft unangenehm. Etwas stimmt für mich häufig zwischen den Zeilen nicht. Die Interviews wirken auf mich befangen.

Schlimmer noch ist es bei aufgezeichneten Interviews oder Diskussions-Podcasts. Als wüssten die Interviewer*innen nicht, wie mit der Thematik oder sie verkörpernden Personen umzugehen ist. Dann gibt es teilweise Unsicherheiten der Reporter*innen, was die Pronomen anbelangt. Oder Interviewer*innen, die an unpassenden Stellen auflachen, vermutlich aus Unsicherheit, wenn es um privatere Themen geht.

Ich sitze dann angespannt da, höre zu und warte nur darauf, dass als nächstes die Frage kommt, ob man „die OP“ schon hatte. Oft wird auch gefragt, wie man denn „früher“ hieß. Falls der alte Name bekannt ist, wird er von Interviewer*innen ohne zu zögern ausgesprochen oder als Aufhänger für ganze Artikel benutzt – ohne dass mal darüber nachgedacht wird, wie unangenehm es für eine transidente Person sein kann, mit ihrem Geburtsnamen konfrontiert zu werden. 

Ich bin für diese Thematik und wie damit umgegangen wird  sensibel. Ich weiß meistens genau, welche Worte man verwenden kann, welche nicht. Mir ist das gesamte LGBTIQ* Vokabular gut vertraut, schließlich befasse ich mich bereits seit 8 Jahren damit.

Für die Autor*innen der Artikel, die Interviewer- und Diskussionsleiter*innen ist die Thematik meisten fremd. Und das merkt man. Es fehlt an Souveränität und Hintergrundwissen. Dabei ist es die Medienberichtstattung, die maßgeblich beeinflusst, wie trans* Menschen und andere Menschen aus dem LGBTIQ* Spektrum in der Öffentlichkeit gesehen und akzeptiert werden. 

Manchmal habe ich das Gefühl, die Reporter*innen versuchen gegen die trans* Personen zu argumentieren und ihre Geschlechtsidentität zu revidieren, weil sie diese nicht für legitim halten. Hier frage ich mich dann, warum dieses Interview überhaupt geführt wird, wenn keine Offenheit für die Person vorhanden ist, die einem gegenüber sitzt. 

Manchmal sind es auch nur Veränderungen im Ton der Betroffenen, die mich hellhörig werden lassen, wie zum Beispiel in einer Diskussionsrunde zum Thema Intersexualität, die ich mir vor ein paar Wochen anhörte. Anwesend waren unter anderem intersexuelle Personen, aber auch Fachleute.

Die Interviewerin gab sich alle Mühe, das Gespräch auf neutralem Boden zu halten, doch die Anwesenden waren sehr bei der Sache und wollten für ihre Meinungen einstehen. Es gab mehrfach Momente, in denen ich mir sicher war, dass die Stimmung im Interview bald kippen könnte, als die Reporterin versuchte, das Gespräch wieder auf die vorgesehen Bahn zu lenken.

Durch die eh schon angespannte Situation schien sie einen Teil ihrer Souveränität zu verlieren und wirkte beim Stellen ihrer vorbereiteten Fragen unsicher, als wüsste sie nicht so recht, wie sie mit den Anwesenden umgehen sollte. Sie strengte sich sehr an, die korrekten Pronomen zu verwenden, wenn sie über die Anwesenden sprach, um die Diskussion zu moderieren. Ihre Anstrengung war für mich klar hörbar. 

Wenn es Unsicherheiten aufgrund von Pronomen sind, lassen sich diese zumindest in der Theorie schnell beheben – nichts von sich aus annehmen, sondern einfach mal nachfragen. Und wenn es einem so schwer fällt, dann einfach im Vorfeld üben oder vielleicht gar keine Pronomen, sonder nur den Namen der Person verwenden. Das sollte aber auch geübt werden, da es einem nicht unbedingt natürlich in den Sprachfluss reinläuft.

Eine gewisse Sensibilität ist  LGBTIQ* Thematiken betreffend unumgänglich. Die Leute, die sich zu diesen Themen öffnen, machen sich meist verletzlich und für die Öffentlichkeit angreifbar. Außerdem ist es wichtig, sich im Vorfeld neben Informationen über die bevorzugten Pronomen auch Informationen über die Thematik an sich einzuholen.

Es gibt im Internet so viele Ressourcen, dass die meisten Fragen zu grundlegenden Themen auf jeden Fall korrekt und ohne Fauxpas gestellt werden können. Aber wer will schon so viel Aufwand in die Vorbereitung und Durchführung eines Interviews stecken, nur um anderen Leuten nicht auf die Füße zu treten? Immer wieder habe ich das Gefühl, dass die Stimmen der trans* Personen nur teilweise gehört und maximal halb wiedergegeben werden. 

Am besten ist es immer noch, wenn trans* Menschen für sich sprechen. Deshalb sollte man ihnen das in Interviews auch ermöglichen – und das geht durch einen souveränen, offenen und informierten Umgang mit der Thematik.

Man kann trans* Personen zwar nicht immer nur von jemandem aus dem LGBTIQ*-Spektrum interviewen lassen, da so womöglich auch die neutrale Berichterstattung über die Situation verloren ginge, wenn immer nur persönlich Betroffene berichten würden. Doch man sollte die Interviewer*innen schulen und Medien über die korrekten Begriffsverwendungen aufklären.

Ich freue mich über mediale Aufmerksamkeit, die der LGBTIQ*-Community zukommt. Doch die Menschen, die mit der Thematik keinen direkten Kontakt haben, eigenen sich eher den Ton der Medien an, als ihren eigenen zu finden.

Deshalb wünsche ich mir von den Medien mehr Sensibilität, die auch schon ganz einfach durch einen längeren Besuch bei YouTube erlangt werden kann. Das gilt übrigens nicht nur für die Medien – wenn ihr euch zu dem Thema noch nicht so gut auskennt, kann ich euch YouTube nur empfehlen. Eine bessere Möglichkeit, direkt betroffene Menschen über ihr Leben sprechen zu hören und aus der Ferne kennenzulernen, gibt es kaum.