Die Namens- und Personenstandsänderung

Was versteht man unter Namens- und Personenstandsänderung?

Bei der Namensänderung wird der amtliche Vorname offiziell auf den gewünschten Vornamen geändert. Die rechtlichen Modalitäten hierfür regelt das Transsexuellengesetz (TSG), das 1980 in Kraft trat. Eine Personenstandsänderung ist die Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags zu dem Geschlecht, mit dem man sich identifiziert. In meinem Fall wurde der Personenstand auf „männlich“ geändert.

Namens- und Personenstandsänderung können separat beantragt werden. Wenn nur die Namensänderung gewünscht wird, ist oft von der „kleinen Lösung“ die Rede, beides gemeinsam wird auch die „große Lösung“ genannt. Dies war in erster Linie vor 2011 relevant, denn bis zu diesem Jahr war es in Deutschland notwendig, dauerhaft fortpflanzungsunfähig zu sein, um seinen Personenstand ändern zu können.

Da diese Voraussetzung nicht mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit vereinbar ist, wurde die Notwendigkeit der dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit 2011 fallen gelassen. Somit ist die „große Lösung“ heute nicht mehr mit einem aufwändigen operativen Eingriff verbunden. Da ich Namens- und Personenstandsänderung gemeinsam beantragt habe, werde ich im Folgenden der Einfachheit halber nur noch von der Namensänderung sprechen – es ist jedoch beides gemeint. 

Warum eine Namensänderung? 

Die meisten Menschen haben keinen geschlechtsneutralen Vornamen, sondern einen, der sie klar dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuweist. Wenn man trans* ist, passt vieles nicht: Der Körper stimmt nicht mit der Geschlechtsidentität überein, was vor allem nach der Pubertät für Probleme sorgt. Oder der Geburtsname verrät sofort, welchem Geschlecht man scheinbar„zugehörig“ ist. So war es auch bei mir – und ich wollte den Namen endlich loswerden, der meinem Umfeld stets verriet, dass ich anscheinend weiblich war – auch wenn mein Aussehen nicht dem Bild einer Frau entsprach.

Nach meinem Outing sprach mich mein engeres Umfeld nach und nach nur noch als Oliver an, doch das reichte nicht. Auf allen offiziellen Dokumenten stand noch mein Geburtsname und auch mein Personenstand im Pass und auf der Geburtsurkunde war als weiblich eingetragen – weil es das war, was man bei meiner Geburt mangels besseres Wissen angenommen hatte. Somit war jede Situation, in der ich zum Beispiel meinen Personalausweis zeigen musste oder mit EC-Karte bezahlen wollte, unangenehm – ganz zu Schweigen von Namenslisten, ob in der Schule oder später in der Uni. Immer, wenn ich bei meinem Geburtsnamen genannt wurde oder ihn irgendwo geschrieben sah, bereitete mir das Unwohlsein und machte mich nervös.

Kurz nachdem ich meine Begleittherapie angefangen hatte, stellte ich einen Antrag auf eine Namens- und Personenstandsänderung beim zuständigen Gericht – eine Änderung, auf die ich anschließend fast ein Jahr wartete. Ein Jahr, in dem ich anfing, Hormone zu nehmen und zunehmend männlicher aussah, bis mein Passing als Mann so gut war, dass mein Geburtsname zum Beispiel auf der EC-Karte zu Reaktionen führte wie „Das ist doch gar nicht Ihre Karte!“ oder mein Liebling: „Ach, das ist ja interessant! Ist das mit Ihrem Vornamen so, wie man auch Männer zum Beispiel Maria nennen kann?“

Für mich war eine Namensänderung notwendig, weil ich mich nie mit meinem Geburtsnamen identifizieren konnte. Er war für mich immer eine Last. Weil ich, da ich nach meinem Outing endlich als der Mann leben konnte, der ich schon immer war, endlich einen passenden Namen brauchte, um mich wohlfühlen zu können. Und um ohne Schweißausbrüche mit EC-Karte zahlen zu können. Und weil ich endlich ohne die ständige Angst leben wollte, jemand, der mich nur als Mann kannte, könnte meinen Geburtsnamen irgendwo sehen und mich weniger als Mann wahrnehmen. 

Wie läuft eine Namensänderung ab?

  1. Einen Antrag auf Namensänderung stellen
    Die Namensänderung muss durch das zuständige Amtsgericht beschlossen werden. Das TSG besagt, dass hierfür das Amtsgericht zuständig ist, das seinen Sitz bei einem Landgericht hat. Welches Gericht für welchen Wohnort zuständig ist, lässt sich über das Internet herausfinden oder man fragt einmal beim nächstgelegenen Amtsgericht nach. Der Antrag kann formlos gestellt werden, wichtig ist nur, dass man sich darin auf das TSG bezieht und das Anliegen (Namens- und/oder Personenstandsänderung) darlegt. Außerdem sollte er den gewünschten Vornamen beinhalten.
  2. Auf eine Antwort warten
  3. Die Antwort vom Amtsgericht
    Leider ist die Antwort auf den Antrag nicht ein „Okay. Dann ändern wir das mal“ – sondern die Aufforderung, sich von zwei medinzischen Sachverständigen begutachten zu lassen, um die Sachverhalt zu prüfen. Bei den Sachverständigen handelt es sich um zwei psychologische Gutachter, die sich mit dem Thema Trans* auskennen und vom Gericht beauftragt werden. Die beiden Gutachter müssen unabhängig voneinander zu dem Schluss kommen, dass man auch wirklich trans* ist. Für eine gerichtliche Namensänderung ist es notwendig, dass die entsprechende Geschlechtsidentität seit mindestens drei Jahren besteht. Außerdem muss man ebenfalls seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, dieser Geschlechtsidentität entsprechend zu leben und es muss mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass sich die Geschlechtsidentität nicht mehr ändert. Diese Voraussetzungen sind im TSG festgelegt.
  4. Einen Termin für die Begutachtung vereinbaren
    In der Regel melden sich die vom Gericht beauftragten Gutachter*innen bei einem und machen einen Terminvorschlag. Außerdem  fordern sie einen dazu auf, ihnen vor dem Termin einen „Trans*Lebenslauf“ zu schicken.
  5. Den Trans*Lebenslauf schreiben
    Dieser Lebenslauf unterscheidet sich von denen, die man normalerweise für Bewerbungen verfasst. Hier geht es darum, einen Bericht über das bisherige Leben zu verfassen – dabei sollte im Idealfall hervorgehen, wann und wie sich die Transidentität geäußert hat. Man kann über alles schreiben, was einem im Zusammenhang mit dem eigenen Leben wichtig erscheint: wie die eigene Kindheit und das Familienverhältnis war, wann man zum ersten Mal gemerkt hat, dass man trans* ist, wie man sich geoutet hat,… Der Lebenslauf stellt die Grundlage für das Gutachtergespräch dar und wird deshalb schon vorab an den Gutachter geschickt.
  6. Sich auf die Gutachtergespräche vorbereiten
    So richtig vorbereiten kann man sich nicht. Aber man sollte schon recht genau wissen, was man in seinem Lebenslauf geschrieben hat – vor allem die Eckdaten. Wie alt man war, als man sich geoutet hat, wie man sich geoutet hat, wie lang man bereits der Geschlechtsidentität entsprechend lebt.
  7. Die Gutachtergespräche
    Es ist hilfreich, wenn man zu den Gesprächen medizinische Unterlagen zur Transition vorlegt. Zum Beispiel das Indikationsschreiben für Hormone von der Psychotherapeut*in (wenn man bereits eins hat) oder ein Schreiben von behandelnden Ärzt*innen, in dem Testosterondosis und Verabreichungsform aufgeführt werden. Im Gespräch stellt einem der Gutachter Fragen zum eigenen Leben und zur „Transsexualität“. Die Fragen an sich können sehr unterschiedlich sein, je nach Gutachter. Viele Fragen orientieren sich an dem Trans*Lebenslauf. An einigen Stellen wird eventuell detaillierter nachgefragt, zum Beispiel wie das Outing verlief oder wie man sich fühlte, als man begann, Hormone zu nehmen. Möglicherweise werden auch intimere Fragen gestellt, zum Beispiel zum Sexleben, wie man sich in intimen Beziehungen zu anderen erlebt oder welche Vorlieben man hat. Darüber, welche Relevanz solche Fragen für eine Namens- und Personenstandsänderung haben, lässt sich streiten.
  8. Die Gutachten
    Im Anschluss an die Gespräche muss man auf die Gutachten warten. Bei den Gutachten handelt es sich um ausführliche Dokumente, in denen die Gutachter*innen die Aussagen des Antragstellers verschriftlichen und analysieren. Am Ende der Gutachten steht unter dem Abschnitt „Beurteilung“ eine Betrachtung mit Bezug auf die Voraussetzungen für eine Namensänderung nach TSG.
  9. Die Anhörung
    Nachdem die beiden Gutachten beim Gericht eingegangen sind, wird man zu einer Anhörung im Amtsgericht geladen. Die Anhörung stützt sich auf die Gutachten und man muss einige weitere Fragen zu sich und seinem Leben beantworten. Außerdem wird man an dieser Stelle noch einmal gefragt, auf welchen Namen man seinen Vornamen ändern möchte und ob man einen Zweitnamen haben möchte (wenn ja, welchen). Sind beide Gutachten positiv, kann einem bereits bei der Anhörung bestätigt werden, dass der Namensänderung stattgegeben wird – allerdings muss für die Rechtskraft erst ein richterlicher Beschluss erfolgen, auf den man noch einige Zeit warten muss. Fallen die Gutachten negativ aus und wird der Namensänderung nicht stattgegeben, zieht sich das Verfahren weiter in die Länge. Es können dann zum Beispiel neue Gutachter beantragt werden.
  10. Der (vorläufige) Beschluss
    Einige Zeit nach der Anhörung erhält man einen Beschluss darüber, ob der Namensänderung stattgegeben wird. Darin steht, dass man zukünftig als dem gewünschten Geschlecht zugehörig gesehen werden wird und dass der Vorname auf den gewünschten Vornamen geändert wird. Allerdings erst dann, wenn der Beschluss rechtskräftig wird – worauf man noch einmal ungefähr einen Monat warten muss.
  11. Der rechtskräftige Beschluss
    Wenn dieser dann endlich eintrudelt, hat man es geschafft: man hat offiziell einen neuen Vornamen und den gewünschten Personenstand! Mit diesem Beschluss kann man dann seinen Personalausweis, seinen Pass, seinen Führerschein, seine Geburtsurkunde und alle weiteren offiziellen Papiere ändern lassen. Hierfür braucht man wieder viel Geduld und Nerven.  Doch die Geduld lohnt sich. Hinzu kommen Dokumente wie Abizeugnis, Arbeitszeugnis oder Impfpass und noch einige weitere, über die man dann im Laufe der Zeit stolpern wird.


Wie viel kostet die Namensänderung?

Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Es können 1.200 Euro, aber auch 2.000 Euro oder mehr sein. Man kann Prozesskostenhilfe beantragen (finanzielle Unterstützung für das Gerichtsverfahren), sodass geringere Kosten auf einen zukommen. Doch das bedeutet auch, dass man einen Antrag mehr stellen muss sich somit auch die Dauer des Prozesses verlängert.

Wie lange dauert der gesamte Prozess?

Bei mir hat es fast ein Jahr gedauert – vom ersten Antrag bis hin zu dem Datum, auf das mein neuer Personalausweis ausgestellt wurde. Diese Zeitdauer ist nicht unüblich, kann jedoch in jedem Fall unterschiedlich sein. Die Dauer ist nämlich von verschiedenen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel wann die Gutachter freie Termin haben und wie lange sie für die Erstellung der Gutachten brauchen.

Warum geht das nicht schneller?

Die Frage habe ich mir häufig gestellt. Im Wesentlichen ist die Dauer mit dem TSG verbunden. Solange das TSG nicht überarbeitet wird, wird der Prozess sich weiterhin über einen so langen Zeitraum erstrecken – was für Betroffene eine große Belastung ist. Es wird schon seit einiger Zeit über eine Überarbeitung oder Erneuerung des TSG diskutiert, vor allem seitdem 2011 die Notwendigkeit der Fortpflanzungsunfähigkeit gestrichen wurde. Das Gesetz ist von 1980 – seitdem hat sich viel geändert, vor allem für trans* Menschen. Wenn die Gesellschaft Fortschritte macht, sollte die Rechtsprechung damit Schritt halten und nicht auf veraltetem Level stagnieren.

Es gibt diverse Forderungen an eine Änderung des TSG. Unter anderem, dass es nicht mehr als gesondertes Gesetz behandelt werden sollte, sondern in bestehende Regelungen eingegliedert werden sollte. Außerdem wird gefordert, dass der Begutachtungszwang abgeschafft werden soll, um trans* Menschen mehr Recht auf Selbstbestimmung zu geben und um die Rechtmäßigkeit ihrer Identität nicht mehr von Gutachtern abhängig zu machen. 

Was ich gelernt habe:

  1. Geduldig zu sein. Ein wütender Anruf beim Gericht, wenn seit Monaten so gar nichts vorangeht, bringt leider gar nichts.
  2. Nicht erneut wütend beim Gericht anzurufen, wenn der Brief mit dem rechtskräftigen Beschluss meiner Namensänderung an „Frau“ adressiert ist. Obwohl in dem Brief steht, dass ich als Mann zu bezeichnen bin.
  3. Die Nerven zu behalten. Zum Beispiel, wenn man an der Führerscheinstelle einen Führerschein auf den neuen Namen beantragen will – und beim Vorzeigen des alten Führerscheins fast wieder weggeschickt wird. Mit der Begründung: „Das ist doch nicht Ihr Führerschein!“
  4. In der seltsamen Übergangsphase zwischen Hormonbeginn und Namensänderung zu vermeiden, auf den Geburtsnamen angesprochen zu werden. Der Geldautomat fragt  nicht nach, wenn man mit einer EC-Karte Geld abhebt, auf der ein weiblicher Name steht, obwohl man doch so gar nicht weiblich aussieht.
  5. Die Freude über einen Brief vom Gericht klingt irgendwann ab, wenn man schon das fünfte Schreiben erhalten hat, das immer noch keinen rechtskräftigen Beschluss enthält.
  6. Das TSG muss sich ändern. Hoffentlich passiert das in den nächsten Jahren, damit die Namens- und Personenstandsänderung in Zukunft nicht mehr so ein nervenaufreibender Prozess ist.
  7. Was für ein unglaubliches Gefühl es ist, offiziell einen Namen zu haben, mit dem man sich wohl fühlt.
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