Das Thema Operationen ist das komplexeste aus dieser Informationsreihe, gerade aus medizinischer Perspektive. Ich werde deshalb nur einen groben Überblick über das Thema geben können. Alle Begriffe, die ich in diesem Artikel aufgreife, könnt ihr jedoch zusätzlich googlen, wenn euch weitere Informationen dazu interessieren.
Gibt es „die eine“ Operation?
Oft habe ich diese Frage gehört. Gestellt wurde sie in der Erwartung, dass es eine Operation gibt, durch die man dann „zum Mann“ wird. Wer meinen Blog schon eine Weile liest, weiß, dass nichts notwendig ist, um „zum Mann zu werden“, außer, dass man sich als Mann fühlt. Und selbst dann wird man nicht zum Mann, sondern ist es bereits.
Für trans* Menschen gibt es verschiedene operative Möglichkeiten, ihren Körper an ihr Geschlechtsbewusstsein anzugleichen. In den meisten Fällen werden diese Operationen nicht auf einmal durchgeführt, sondern in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten – oder es werden von der betroffenen Person gar nicht alle Operationen gewünscht.
Welche Operationen gibt es?
Mastektomie:
Bei der Mastektomie handelt es sich um die Entfernung des Brustgewebes und die Konstruktion einer männlichen Brust. Es gibt dafür verschiedene Operationsmethoden.
Je nach Größe der vorhandenen Brust kann minimalinvasiv operiert werden, indem lediglich um die Brustwarze herum geschnitten wird, um durch die so entstandene Öffnung das Gewebe zu entfernen. In diesem Zuge kann die Brustwarze auch verkleinert werden. Hierbei entstehen lediglich Narben um die Brustwarze herum, die kaum sichtbar sind.
Sobald die Ausgangslage größer als Körbchengröße A ist, wird meist mit größeren Schnitten unterhalb der Brust operiert, um auch die überschüssige Haut entfernen zu können. Mit dieser Operationstechnik entstehen unterhalb der Brustwarze länglich quer verlaufende Narben, die mit der Zeit verblassen.
Mögliche Komplikationen bei der Mastektomie können ein Absterben der Brustwarze(n), Verletzungen der Nerven, Infektionen oder zu viel zurückbleibendes Gewebe/überschüssige Hautlappen sein, die Korrekturoperationen notwendig machen. Außerdem kann es zu Nachblutungen kommen, weshalb im schlimmsten Fall noch einmal operiert werden muss, um das Blut aus dem Gewebe zu entfernen.
Entfernung der inneren Geschlechtsorgane:
Die Hysterektomie bezeichnet die Entfernung der Gebärmutter, Ovariektomie die Entfernung der Eierstöcke und Kolpektomie die Entfernung der Vagina. Meist wird dieser Eingriff in einem vorgenommen. Diese Operation kann sowohl durch die Vagina, als auch durch kleine Schnitte in der Leistengegend und im Bauchnabel durchgeführt werden. Durch die Vagina kann jedoch nur dann operiert werden, wenn diese sich weit genug dehnen lässt, um die Gebärmutter durch sie hindurch zu entfernen.
Viele Ärzt*innen raten zu einer Entfernung der inneren Geschlechtsorgane, da weitgehend unbekannt ist, wie sich Testosteron über einen langen Zeitraum auf sie auswirkt und ob Testosteron das Krebsrisiko in diesen Bereichen erhöht. So lautet die Faustregel, dass diese Geschlechtsorgane innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre auf Testosteron entfernt werden sollten. Allerdings gibt es ebenfalls Ärzt*innen, die diese Operationen nicht für notwendig halten – solange man regelmäßig zur*zum Gynäkolog*in geht, um Krebs frühzeitig erkennen zu können.
Manche trans* Männer bekommen trotz Testosteron noch ihre Periode und lassen deshalb ihre Gebärmutter entfernen. Viele berichten auch nach einigen Jahren Testosteron von unregelmäßig auftretenden Unterleibskrämpfen und entscheiden sich deshalb für die Hysterektomie.
Die Eierstöcke werden häufig zeitgleich entfernt, da sie keine Funktion mehr erfüllen und von ihnen ebenfalls ein Krebsrisiko ausgehen kann. Die Kolpektomie hat an sich keine medizinische Notwendigkeit – wird jedoch eine Operation der äußeren Geschlechtsteile angestrebt, ist sie notwendig.
Mögliche Komplikationen bei dieser Operationen können eine Verletzung der Blase, Infektionen oder Nachblutungen sein. In der Regel wird die Hysterektomie allerdings als komplikationsarme Operation angesehen.
Operation der äußeren Geschlechtsteile:
Bei diesen Operationen wird ein Penoid (ein chirurgisch geschaffener Penisersatz) konstruiert. Es gibt hierfür zwei unterschiedliche Methoden, die weit verbreitet sind.
Im Rahmen der Metoidioplastik wird mit der anatomischen Ausgangslage gearbeitet. Die durch Testosteron vergrößerten Klitoris wird zu einem kleinen Penis gemacht, indem sie freigelegt wird und die Harnröhre verlängert wird. So kann auch im Stehen uriniert werden. Die Schamlippen werden verwendet, um Hoden zu formen. Außerdem wird eine Kolpektomie durchgeführt. Das Endergebnis ist ein kleiner Penis, der eine Größe von vier bis neun Zentimetern erreichen kann.
Dieser Eingriff ist im Vergleich zur Phalloplastik recht komplikationsarm, da kein Gewebe entnommen und transplantiert wird. Sollte es gewünscht sein, kann im Anschluss an eine Metoidioplastik noch eine Phalloplastik durchgeführt werden. Mit dem durch die Metoidioplastik entstanden Penoid kann in der Regel nicht penetriert werden, da es hierfür zu klein ist. Das Penoid wird bei Erregung stärker durchblutet und schwillt dadurch an – wird also in einem gewissen Rahmen steif – gleicht in seiner Größe jedoch nicht dem Penis eines cis Mannes.
Bei der Phalloplastik wird mittels eines Gewebestücks vom Unterarm oder dem Oberschenkel ein Penoid geschaffen, das die Größe des Penisses eines cis Mannes erreicht. Dieses Penoid wird mit den Nerven und Adern des Unterleibs verbunden und auf die zuvor freigelegte Klitoris gesetzt. So bleibt im besten Fall die Orgamsusfähigkeit erhalten. An die der Gewebentnahmestelle wird Haut vom Oberschenkel transplantiert. Aus den Schamlippen wird ein Hodensack geformt, in den in einer weiteren Operation Hodenimplantate eingesetzt werden können. Außerdem können Implantate zur Versteifung des Penoids eingesetzt werden. Dabei handelt es sich meistens um eine Art Pumpe, die zur Versteifung des Penoids aufgepumpt und anschließend wieder zur Erschlaffung des Penoids gebracht werden kann.
Gerade bei der Phalloplastik ist die Komplikationsrate sehr hoch. Es kann zur Verletzungen der Blase oder des Darms kommen, außerdem zu einem Absterben des Penoids, zu einem Verlust der Orgasmusfähigkeit, zu Infektionen, der Bildung von Fisteln oder Inkontinenz – um nur ein paar Komplikationen zu nennen.
Lässt jeder trans* Mann alle Operationen durchführen?
Nein. Welche Operationen man durchführen lässt, ist komplett individuell. Es gibt trans* Männer, die sich für die Mastektomie, aber gegen eine Operation der äußeren Geschlechtsorgane entscheiden. Die Gründe hierfür können verschieden sein: Sie haben sich mit ihren Geschlechtsorganen angefreundet und wollen diese nicht ändern, sie haben Angst vor den möglichen Komplikationen oder sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis, das die Medizin momentan im Bereich des Penisrekonstruktion bietet.
Nicht jeder trans* Mann lässt sich die Brust oder die Gebärmutter entfernen. Manche trans* Männer sind auch ohne jegliche Operation glücklich – und genauso sehr Männer wie jeder andere Mann auch, ob mit oder ohne Penis oder ob mit oder ohne Brust.
Welche Voraussetzungen muss man für die Operationen erfüllen?
Die meisten Operateur*innen verlangen Gutachten, welche die Transidentität bestätigen. Meistens reichen hierfür die Gutachten, die man für die Namensänderung gebraucht hat, aus. Sie sind einige Zeit vor der Operation einzureichen.
Außerdem setzen die meisten Operateur*innen für die Mastektomie voraus, dass man bereits mindestens seit einem halben Jahr Testosteron nimmt. Das Hormon kann eine Veränderung, normalerweise eine Verkleinerung, der Brust bewirken, was für diese Operation von Vorteil sein kann.
Will man eine Hysterektomie durchführen lassen und ist noch jünger als 50 Jahre, sollte man Testosteron nehmen. Durch die Hysterektomie kann der Körper keine eigenen Sexualhormone mehr produzieren. Fehlen diese im Körper vollständig, steigt das Osteoporoserisiko (Abbau der Knochendichte) maßgeblich an. Vor allem in jungen Jahren ist es somit wichtig, dass der Körper selbst Sexualhormone produziert oder dass man sie ihm zuführt.
Zahlt die Krankenkasse die Operationen?
Ja. Jedoch muss man die geschlechtsangleichenden Operationen bei der Krankenkasse beantragen, sobald man eine*n passenden Chirurg*in gefunden hat. Die Krankenkasse muss den Antrag auf Kostenübernahme dann bewilligen – was im schlechtesten Fall einige Monate dauern kann.
Was ich gelernt habe:
- Wie wichtig es ist, sich mental auf eine Operation vorzubereiten. Ein Krankenhausaufenthalt und die körperlichen Strapazen sind nicht zu unterschätzen.
- Dass es okay ist, nach der OP „Mist, was mach ich hier eigentlich?!“ zu denken, wenn die Schmerzen stark sind und man nicht fassen kann, dass man vor der OP noch kerngesund war und jetzt plötzlich im Bett liegt und sich kaum bewegen kann (Genau deshalb ist auch die mentale Vorbereitung wichtig).
- Genügend Zeit einzuplanen, um eine*n Chirurg*in aussuchen. Gerade bei der Mastektomie und der Operation der äußeren Geschlechtsorgane geht es darum, dass man mit dem Aussehen des Ergebnisses zufrieden ist. Viel Recherche zu betreiben, um den*die Chirurg*in zu finden, mit dessen Ergebnissen man am zufriedensten ist, lohnt sich.
- Mit mehreren Chirurg*innen Vorgespräche im Vorfeld der OP zu vereinbaren. So hat man eine Auswahl und kann sich denjenigen aussuchen, der einem am meisten zusagt.
- OP Ergebnisse sehen nicht auf der Stelle perfekt aus. Die Heilung dauert Monate.
- Die eigenen Ergebnisse nicht mit den Ergebnissen anderer zu vergleichen. Jeder Körper ist anders, jeder hat eine andere Wundheilung und Narbenbildung.
- Der Körper braucht Zeit, um sich nach einer Operation zu erholen. Deswegen sollte man alles langsamer angehen lassen – bei zu viel Aktivität in den Wochen nach einer Operation können sich Narben dehnen oder andere Verletzungen entstehen.
- Sich vor der Operation bei dem*der Chirurg*in zu erkundigen, auf was man achten muss. Zum Beispiel, ob man das Testosteron im Vorfeld der Operation für einige Zeit absetzen sollte, keine Schmerzmittel nehmen sollte, die die Blutgerinnung hemmen, oder ob und welche Körperstellen man rasieren muss.
- Manchmal treten Komplikationen auf. Ich wurde nach meiner Mastektomie unerwartet nicht einmal 24 Stunden später erneut operiert werden, weil sich ein riesiger Bluterguss gebildet hatte, der entfernt werden musste. Das hat mich damals im Krankenhaus echt fertig gemacht – im Endeffekt musste ich trotzdem nur eine Nacht länger bleiben als geplant. In den meisten Fällen treten jedoch keiner Komplikationen auf. Wenn doch, sollte man am besten Ruhe bewahren – die Ärzt*innen wissen meist, was sie tun.
- Nach der Mastektomie das erste Mal oben ohne rumzulaufen, die Binder (Brustabbinder) verschenken zu können und den Stoff vom T-Shirt direkt auf der Brust zu spüren – dafür lohnen sich all die Strapazen. Meine Mastektomie hat damals mein Leben verändert, ich hab mich endlich frei gefühlt.