8 Privilegien, die du als cis Person hast

Wenn du dich mit dem Geschlecht identifizierst, das dir bei der Geburt zugewiesen wurde: Herzlichen Glückwunsch, du bist cisgender und genießt damit alle Vorzüge, die eine cissexistische Gesellschaft zu bieten hat! Cissexistisch bedeutet, es wird davon ausgegangen, dass cisgender zu sein die Norm ist und trans* zu sein eine Abweichung von dieser Norm darstellt – und trans* Menschen deshalb benachteiligt werden. Menschen, die trans* sind, identifizieren sich im Gegensatz zu dir nicht oder nicht vollständig mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Im Gegensatz zu trans* Menschen bist du wegen deiner Geschlechtsidentität in dieser Gesellschaft privilegiert: du genießt Cis-Privilegien.

Woran erkennst du, dass du Cis-Privilegien habt? Hier ein paar Beispiele:

  1. Du kannst öffentliche Toiletten benutzen, ohne dass dies für dich irgendeine Art von Problem darstellt – außer, dass du vielleicht mal kurz anstehen musst. Du hast keine Angst davor, angepöbelt oder aus der Toilette geschmissen zu werden, weil jemand anders findet, dass du nicht das richtige Geschlecht hast, um diese Toilette zu benutzen. Du musst dich nicht entscheiden, auf welcher Toilette du dich sicherer vor Anfeindungen fühlst und du findest Unisex-Toiletten womöglich völlig überflüssig. Für dich sind öffentliche Toiletten eben Toiletten – man geht rein, geht aufs Klo, wäscht sich die Hände, geht wieder raus. Kein großes Drama.
  2. Du kannst in jedem 08/15 Fitness-Studio nach dem Sport duschen und dich vor den Augen anderer umziehen, weil die äußeren „Geschlechtsmerkmale“ deines Körpers genau mit dem übereinstimmen, was man eben von einer Cis-Person erwartet. Du musst wegen diesen Merkmalen in der Umkleide keine Angst um deine Sicherheit haben – Nackt duschen, wenn es keine privaten Duschkabinen gibt? Kein Problem! Die Regelung des Fitness-Studios, dass man nicht in Badeklamotten duschen darf? Aus hygienischen Gründen doch super! Du musst dich nicht in die hinterste Ecke der Umkleide verziehen, um dich zumindest ein bisschen unbeobachtet zu fühlen. Du musst nicht verschwitzt nach dem Sport deine Jacke überziehen, um dann zuhause zu duschen. Du hast zumindest die Option, im Studio zu duschen, auch wenn du sie nicht wahrnimmst. Für dich ist das Duschen im Studio eben nur Duschen – und kein Spießrouten-Lauf, bei dem du alles darauf anlegst, dass dich niemand völlig nackt sieht, sondern maximal dein Hintern aufblitzt. Du hälst nicht krampfhaft das Handtuch fest, aus Angst, dass es dir von den Hüften rutscht und du dann entblößt in der Umkleide stehst, mit pochendem Herzen, nicht wissend, was als nächstes passiert. 
  3. Für dich ist es selbstverständlich, dass andere dich mit dem korrekten Namen und den richtigen Pronomen ansprechen. Es gibt keine Menschen in deinem Umfeld, die dich immer wieder mit falschen Pronomen ansprechen und sich beschweren, wie kompliziert es doch sei, die korrekten Pronomen zu verwenden oder dich mit dem richtigen Namen anzusprechen. Für dich ist es ganz normal, dass du dich mit dem Namen identifiziert, der dir bei der Geburt zugewiesen wurde. 
  4. Du wirst von Fremden, entfernten Bekannten oder Freunden nicht auf deine Genitalien oder deinen Cis-Status reduziert. Niemand fragt dich, was du zwischen den Beinen hast, oder ob du die OP schon hattest. Niemand fragt dich, wie du eigentlich mit dem, was du zwischen den Beinen hast, Sex hast. Es ist deinem Umfeld nicht wichtig, genaues über deine Genitalien zu erfahren. Niemand stellt deine Geschlechtsidentität infrage oder behauptet, du wärst kein „richtiger“ Mann oder keine „richtige“ Frau. 
  5. Wenn du anderen erzählst, dass du cis bist, sagt niemand zu dir, es sei nur eine Phase und würde sich schon wieder verwachsen. Alle gehen davon aus, dass eben für immer cis sein wirst – schließlich ist das ja „normal“. 
  6. Wenn du medizinischen Versorgung in Anspruch nimmst, musst du keine Angst haben, dafür diskriminiert zu werden, dass du cis bist. Dein Arzt, deine Ärztin, dein Therapeut oder deine Therapeutin wird nicht versuchen, deine medizinischen Probleme darauf zurückzuführen, dass du cis bist. Niemand wird sagen „Oh, du hast offensichtlich ein Burn-Out, weil du cis bist!“ oder „Cis zu sein ist eine psychische Erkrankung, hier hast du eine Überweisung für eine psychiatrische Einrichtung!“, wenn du eigentlich nur deinen Blutdruck gemessen haben wolltest. 
  7. Deine Geschlechtsidentität wird überall repräsentiert. Wenn du Fernsehen oder Serien schaust, siehst du ständig Menschen, die auch cis sind. In jeder Werbung, jedem Film. So gut wie jede Person, die in der Öffentlichkeit steht, ist auch cisgender – genau wie du. Es hat nicht 14 Jahre deines Lebens gedauert, bis du zum ersten Mal eine Person gesehen hast, die auch cis war. Du musst dich nicht durch spezifische Hashtags klicken oder genau wissen, wonach du auf YouTube suchst – Leute wie du sind überall. 
  8. Du musst keine Angst haben, dass die Person, mit der du flirtest oder intim werden möchtest, dich ablehnt, wenn sie erfährt, dass du cis bist. Du hast Herzflattern, weil du verliebt bist, und nicht vor Nervosität, weil dich Fragen wie „Wann sag ich es ihr*ihm?“ und „Wie sag ich es am besten?“ nicht schon bei eurem ersten Kuss verfolgen. Ein One-Night-Stand ist für dich eben ein One-Night-Stand, maximal damit verbunden, dass du dir Gedanken um Verhütung machst. Mit einer anderen Person nach Hause zu gehen oder irgendwo Sex zu haben, beinhaltet für dich nicht, dass du dich eventuell in Gefahr begibst – weil die andere Person negativ reagieren könnte, wenn sie herausfindet, dass du cis bist. 

Du kannst nichts für deine Privilegien – du bist nun mal cis. Aber du kannst sie wahrnehmen und dich dafür einsetzen, dass trans* inklusivere Räume geschaffen werden, indem du zum Beispiel deine Hochschule oder Arbeit darauf aufmerksam machst, wie wichtig Unisex-Toiletten sein können.

Du könntest in deinem Fitness Studio die Bitte äußern, die Duschen etwas privater zu gestalten. Weil sich eben nicht alle Menschen in Gruppenduschen wohlfühlen, wenn es nicht einmal eine einzige separate Duschkabine gibt.

Oder du könntest bei deinem Arzt*deiner Ärztin oder deinem Therapeutin*deiner Therapeuten mal nach horchen,  wie er*sie trans* Menschen gegenüber eingestellt ist. Wenn der*die Mediziner*in aufgeschlossen zu sein scheint, könntest du das in die Bewertung dieser Person auf verschiedenen Ärzteportalen im Internet posten.

Es ist wichtig, dass nicht nur trans* Menschen solche Nachforschungen betreiben und Forderungen stellen, sondern dass eine breitere Masse ihre Stimme erhebt. Und falls mit negativen Reaktionen auf deine Nachfragen reagiert wird, hast du wahrscheinlich mehr Ressourcen, sachlich weiter zu diskutierten, als jemand, der von dem Thema direkt betroffen ist.

Also – tu was für die Menschen in der Gesellschaft, die eben nicht cis sind. Und nutze deine Privilegien dafür, dass deine Stimme gehört wird – gerade in Bereichen, in denen trans* Menschen stark unterrepräsentiert sind und deswegen deine Unterstützung brauchen! 

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